REISEVERGNÜGEN – Vier Tage im schwedischen Uppsala mit kaltem Alkohol und warmer Liebe.

© Isabelle Zucker

Dass Schweden ein wunderbares Land ist, wissen wir ja alle. Das ist so klar wie schwedischer Schnaps. Wir wollen uns von den Schweden einkleiden, in Wohndingen beraten und gegebenenfalls abknutschen lassen, denn irgendwie können die Schweden diese Dinge ziemlich gut. Vor zwei Wochen habe ich meine Schwester in Uppsala besucht, einer Stadt nördlich von Stockholm. Dort gab es nicht nur viele Studenten sondern auch viel Alkohol, Liebe und Musik.

Meine Augen werden riesig. Es ist 22:00 Uhr, wir sitzen auf dem Bett und Hunderte von Studenten schreien aus ihren Fenstern. Es ist beängstigend und gruselig. Meine Augen werden auch nach ein paar Minuten nicht kleiner. Aber das macht man in Flogsta eben so. Um dem Frust zu entkommen, dem Alltag, der mit wenigen Sonnenstunden und viel Kälte gesegnet ist. Man schreit gemeinsam aus dem Fenster. Und schwupp, ist man doch gar nicht mehr alleine in einer Studentensiedlung, die aus elf Hochhäusern und hunderten von Jugendlichen aus aller Welt besteht. Verwirrt binde ich mir ein paar Laken um den Po, spritze das letzte Blut auf mich und bin fertig für meine erste schwedische Halloweenparty.

Wir stehen im 5. Stock, Haus 8. Ein unheimlicher, alter Vampir klappert mit seinen Plastikzähnen und bequatscht uns. Als er merkt, dass wir nicht ganz so angetan sind, versucht er uns mit „was zu rauchen“ zu überzeugen. Doch unsere Aufmerksamkeit gilt einem braunhaarigen, etwas dicklicheren, halbrasierten Kerl, der in einem hellgrünen Monokini vor uns steht. Oder wohl eher, meine Aufmerksamkeit. Meine Schwester steht angeschwippst an die Wand gelehnt und kichert nur. Ich stehe (wieder) schockiert daneben und weiß nicht, wem von den dreien ich nun meine Aufmerksamkeit schenken soll, schnappe mir meine Schwester und quetsche uns zwischen Krokodilen, blutigen Clowns und komischen Gestalten hindurch.

Ich wache auf. Der Schlafsack, in dem ich liege, ist kalt und unangenehm. Zum Frühstück gibt es Pancakes und Vanilletee, das entschädigt. Zwei Stunden später stehen wir mitten in Stockholm. Ein Elch glotzt uns an und Rentiere liegen faul herum. Nach einem Spaziergang durch Skansen, einem riesengroßen Freilichtmuseum mit toller Aussicht über die Stadt, laufen wir am Hafen entlang, sind froh uns zu haben und wärmen einander die Hände. Stockholm leuchtet und wir machen mit.

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An einer langen Tafel sitzen sich je zehn Leute gegenüber. Eine alte Hexe hat einen Elektrozauberstab dabei, der ihre Falten besonders zur Geltung kommen lassen. Ein Bier, Rotwein und unendlich viel Schnaps stehen bald vor mir, daneben gefüllte Paprika, Kürbissuppe, Marzipanschokogeister und Kartoffelgratin. Wir sitzen in dem Gebäude der Värmlands Nation und zelebrieren Halloween gleich noch einmal auf einem Gasque. Ein Gasque ist ein Ball, auf dem getanzt, getrunken und gesungen wird. Man tritt einer Nation bei, die ist wie Harry Potter's "Gryffindor". Und davon gibt es unheimlich viele in Uppsala. Jede Nation hat ihr eigenes Gebäude, eigene Songs, eigene Traditionen und ein anderes Gewandt. Als wir mittags durch die Straßen laufen, kommen auf einmal zehn in Schwarz gekleidete Studenten um die Ecke, mit Hüten, Blättern und eben einem Zauberstab. Zuerst gibt es ein 3-Gänge-Menü, garniert mit Liedern, einem Chor und andauerndem Schnapsgetrinke. Erst nach vorn prosten, dann zur Seite prosten, dann 1/3 Schnaps trinken, dann wieder vorne und zur Seite prosten. Ich vergrabe mich heimlich in meinem Liederbuch, verstehe nicht, was ich da singe, wie ich das aussprechen soll und weiß eigentlich überhaupt nicht, ob die Seite überhaupt stimmt. Ein paar aufgesetzte Gesichter und der Schnaps retten mich. Nach dem Essen kommt dann auch schließlich die Party. War ja nicht anders zu erwarten. Überall hängen Kronleuchter, alte Portraits und ausgestopfte Tiere herum. Alle Möbel werden aus dem Raum getragen und ein DJ-Pult aufgestellt. Ein dicker Kürbis schwingt seinen Bauch hin und her und drückt ihn an einen Zombiekörper. Die Schweden wollen flirten und die Zeit ihres Lebens haben. Aber bitte nicht allein.

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Wir sitzen wieder gemeinsam am Tisch, trinken Vanilletee und kochen Reis. Meine Schwester, die in Deutschland gut über die Runden kommt, hat in Schweden zu kämpfen. Einen Lippenstift gibt's nicht unter 12 Euro, Shampoo unbezahlbar und mit den Lebensmitteln sieht es kaum anders aus. Ich lasse ihr meine Zahnpasta da, bringe Alkohol und Shampoo mit. Sieben Kilogramm Übergewicht gehen eben nur mit der Lufthansa. „Da sind hauptsächlich Geschenke drin, kommt also nicht wieder mit zurück“ grinse ich daher und versuche die grummelige Frau am Schalter zu bezirzen. Viel Kleidung ist nämlich wichtig. Irre Temperaturen schenkten mir weißen Atmen und kleine Kristalle an meinem Mantel. Dennoch ging es auf dem Fahrrad rein in die Stadt. Busfahren ist nämlich auch unbezahlbar. Wir leihen uns später ein Auto bei „Rent A Wreck“ und machen uns auf den Weg nach Gävle. Hört sich zwar furchtbar an, ist aber eine gute Sache. Die kleine Stadt nördlich von Uppsala prahlt mit einem Theater inklusive Rechtschreibfehlern und Springbrunnen ohne Fontänen, tollen kleinen schwedischen Häusern und Charme, der vollgepackt ist mit Süßigkeiten. Plötzlich schließt die Sonne durch den Himmel, drückt die Regenwolken bei Seite und zieht unsere Mundwinkel hoch. Endlich!

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Wir stehen an der Bushaltestelle. Ich verabschiede mich von meiner Schwester. Ich bin traurig. Doch in einem Monat ist sie wieder zurück. Meine bessere Hälfte, mein absoluter Lieblingsmensch. Die letzten Kronen gehen für Lakritze, Gummiautos und saures Zeug drauf. Die nette Blondine am Schalter schluckt meine erneuten 6 Kilo Übergewicht und ignoriert sie mit einem freundlichen Lächeln. Ich komme in Berlin an. Es ist 22:00 Uhr, niemand schreit und ich fühle mich alleine.

Danke an Sina, Conny, Clemens, Martin, Andi & Izaaki für eure Süße. Ich hab euch lieb.

Wenn ihr Fragen bezüglich des Auslandssemesters meiner Schwester habt, schreibt mir doch eine Mail an: [email protected]

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