REISEVERGNÜGEN – Per Anhalter durch Islands Süden

"Es hat ein wenig gedauert, bis wir verstanden haben, dass es gut tut, sich zu bedanken, wenn jemand einem den Kaffee an den Tisch bringt. Jetzt sagen wir immer 'Takk'." Takk, takk fyrir. Samuel sitzt mir gegenüber und trinkt einen nachdenklichen Schluck Pale Ale, gebraut in kleiner Produktion nahe Reykjavík. Es schmeckt genau wie im Pub in Liverpool. Gut also.

Wir sitzen auf tiefen Ledersofas in einem kleinen Hotel in der Innenstadt Reykjavíks und sprechen über isländische Gepflogenheiten, Vulkane und das Oktoberfest. Die Bar des Hotels ist bekannt für die große Bierauswahl und dementsprechend gefüllt. Wir befinden uns also in der Lobby und können durch die gläserne Front jede Menge Jack Wolfskin-Jacken beim Vorbeihuschen beobachten. Hier ist es viel zu warm, draußen viel zu kalt. Für Mitte August jedenfalls. Das ist aber normal, genau wie das Bezahlen der Getränke mit Kreditkarte. Wer Bargeld rausholt, wird oft verdutzt angeguckt, selbst im kleinsten Dorfladen. Eine der zahlreichen Besonderheiten Islands.

Samuel ist unser Couchsurfing-Host für die nächsten Nächte. Blond, blass, unglaublich schmal und unglaublich groß, ein bisschen elfenmäßig. Er mag Schaltkreise, Rumschrauben und ist am liebsten im rauen Hochland mit seinem, nach Monstertruck aussehenden, Jeep unterwegs. Dabei hört er meistens Metal und denkt nach. Irgendwann sind die Gläser leer, die Münder auch und wir laufen mit leicht schwindeligen Beinen die Laugavegur hinab, die Hauptstraße dieser Hauptstadt des jüngsten Landes der Erde. Eine schmale Einbahnstraße, die trotzdem mal Ku'damm, mal Reeperbahn ist. Es ist Dienstag, denke ich, als neben mir ein Auto laut hupt und die Scheiben herunter gekurbelt werden, um eine Mischung aus lautem Grölen und David Guetta herauszulassen. Die Insassen sehen betrunken, aber unglaublich fröhlich und nett aus. Dann ist wieder Ruhe, mit dem Dienstag habe ich mich also doch nicht getäuscht. 30 Minuten später liege ich mit meinem Lieblingsmädchen und zwei Katzen auf der Ausziehcouch einer kleinen, vollgestellten Kellerwohnung. Das Piepen der Apparaturen auf Samuels Schreibtisch und das leise Schnarchen seiner Freundin Andrea sind das Letzte, was ich höre, bevor ich zufrieden in meinen Schlafsack versinke.

Wir sind für 10 Tage nach Island geflogen, wollen uns ein bisschen was ansehen, hier und da etwas probieren und des Öfteren in einen Hot Pot springen. Mit dabei haben wir zwei große Rucksäcke, ein lilaorangenes Zelt aus den frühen 90ern und viel Pappe.

Nach kurzem regnerischen Aufenthalt und einer teuren Pauschalreisebustour zu den Geysiren und ähnlichen Hauptattraktionen des Landes geht es von Reykjavík gen Süden. Per Anhalter. Trampen funktioniert unglaublich gut in Island, denn fast jeder ist mit eigenem Auto unterwegs. Immer wieder hören wir von den zurückhaltenden Einwohnern Islands, doch entdecken können wir diese nirgendwo. Sobald wir in einen der dicken Geländewagen steigen, geben wir alles über uns preis, (Erste Frage meistens: „Do you like Iceland?“) erreichen dafür aber nicht nur immer unser Routenziel, sondern bekommen auch noch tolle Reisetipps und wunderschöne Lebensgeschichten mit auf den Weg. Gleiches geschieht übrigens auch beim Campingplatzwart oder der Kellnerin im Restaurant.

Unser erstes Etappenziel ist das kleine Nest Vík, das wir nach langer Fahrt erreichen. Direkt an der Atlantikküste gelegen, gibt es dort eigentlich schwarzen Sandstrand und zackige Felsenküste, aber wir sehen zwei graue Tage lang nur Wasser vom Himmel fallen. Wir probieren deshalb das erste Mal ein isländisches Schwimmbad aus. Diese gibt es nämlich auf Grund der geothermalen Bedingungen („You know, volcanos and stuff...“) in jedem noch so kleinen Dorf. Noch so eine isländische Besonderheit und unglaublich gut. Besonders, wenn man bei den nur bedingt sommerlichen Temperaturen im Zelt wohnt.

Als wir wieder aufbrechen wollen, kommt doch mal ganz kurz die Sonne raus und bevor wir uns wieder an die Straße stellen, stapfen wir kurz über den sonderbar schwarzen Strand und lassen uns ein bisschen Salz ins Gesicht pusten. Als wir dann den Daumen raushalten, regnet es wieder und wir werden kurz wütend.
Dann nimmt uns eine Frau mit bis zur Abfahrt zur Fähre nach Heimaey, unserem nächsten Ziel. Heimaey ist die größste der Westmännerinseln im Süden Islands, bekannt für ihre trotzigen und eigensinnigen Bewohner, den Golfplatz und die Papageitaucher. 12 km ist der Anleger noch entfernt und es ist weit und breit nichts und niemand zu sehen, außer ein paar Islandpferden. Ein komisches, aber irgendwie auch schönes Gefühl. Man kann es allerdings nur bedingt genießen, denn es regnet immer noch, die Rucksäcke sind schwer und wir wollen ankommen. Wieder kommt kurz vorm Zusammenbruch doch ein Auto vorbei, dieses Mal mit zwei Amis, und wir erreichen mit einem etwas schwummrigen Magen die kleine Insel.

Dort verbringen wir die schönste Zeit unseres Urlaubs mit einem tollen Spaziergang in der Sonne (!!!) entlang der von Papageitauchern bewohnten Steilküste und gutem Essen in einem gemütlichen Restaurant. Als wir zwei Tage später dann die Fähre zurück aufs „Festland“ besteigen, realisieren wir, dass schon über die Hälfte der Zeit vorüber ist und überlegen, wo wir noch hinfahren könnten. Letztendlich entscheiden wir uns für einen kleinen Ort namens Hvergar∂i auf dem Weg zurück nach Reykjavík. Inmitten von heißen Quellen gelegen gibt es dort sprudelnd heiße Wasserlöcher, in denen man Eier kochen, und einen Fluss mit warmem Wasser, in dem man baden kann. Leider ist das Wetter wieder schlechter und wir unterschätzen den Weg zur Badestelle, weshalb wir unverrichteter Dinge wieder zum Zelt zurückkehren und beschließen, die letzten Tage des Urlaubs doch in der Stadt zu verbringen. Unsere Vorräte neigen sich langsam dem Ende zu und auch die letzte Socke ist inzwischen feucht.

Wieder werden wir am nächsten Morgen fix mitgenommen und von einem netten Mann direkt bis nach Reykjavík zum Campingplatz gefahren. Wir bauen unser Zelt auf und laufen an der Promenade zum Stadtzentrum, gehen dann schwimmen. Die Sonne meint es zum Abschluss noch einmal gut mit uns und wir verbringen die letzen paar Tage trocken in der Stadt, um uns mit Souvenirs einzudecken und den Film meiner Einwegkamera zu füllen. Am Donnerstag bauen wir früh am Morgen unser Zelt ab und sitzen kurze Zeit später im Shuttlebus zum Flughafen. Um 8 Uhr früh verlassen wir mit zwei Stunden Verspätung Island. Als das Flugzeug startet und ich nur noch schwer die Augen offenhalten kann, murmele ich leise „Takk fyrir“ und frage mich, was wohl „ich komme bald wieder“ bedeutet.


 

Ein paar Tipps:
Island ist ein Land, dass vor allem durch seine unglaubliche Vielfalt bei mir gepunktet hat. Innerhalb eines Tages kann man auf einem Gletscher stehen, im Atlantik surfen, durch unglaublich grüne Wiesen, aber auch steinige Wüsten wandern. Ob man mal richtig ausspannen will, oder ein Abenteuer sucht: es kommen alle auf ihre Kosten und man vergisst schnell, dass Island eigentlich im Verhältnis so klein ist. Es gibt viel zu entdecken und man sollte entweder viel Zeit mitbringen oder sich auf ein gewisses Gebiet der Insel beschränken.

Flug: Wir sind gut und billig mit WOW air nach Island gekommen. Leider wurden auf beiden Strecken unsere Flüge spontan verlegt, so dass wir immer viel zu früh am Flughafen waren. Aber das ist mit Smartphone und in Anbetracht des Preises vollkommen ok.

Reykjavík: KEX - nettes Hotel mit Bar im Michelberger-Stil, mit kreativ zubereitetem Essen. Mehrmals die Woche auch abends eine gute Adresse ist
PIZZA KING - kleiner Pizzaimbiss am Hafen super guter Pizza im NY-Style (Kvosin 101 Reykjavík)
STOFAN CAFÉ - gemütliches Sofa-Café mit leckerer Möhrentorte. Wer am Fenster sitzt, kann draußen der lokalen Skatecrew zuschauen
12TONAR - Der Plattenladen schlechthin. Es gibt fast nur CDs, aber guten Espresso a la Hausmarke. Der Ort für gute Musik von der Insel. Sigur Rós gibt es übrigens auch inzwischen überall da, wo es Postkarten gibt.

Heimaey: FELSEN - Wer nicht unter Höhenangst leidet, sollte sich auf den Krater hinter dem Zeltplatz am Golfplatz wagen. Es geht hoch hinaus. An schönen Tagen ist der Blick zauberhaft und man entdeckt eventuell sogar ein paar Papageientaucher. SLIPPURIN - Tolles Restaurant in Familienhand. Das Essen ist sehr liebevoll zubereitet und schmeckt auch so. Wir hatten hier einen nicht ganz günstigen, aber sehr schönen Abend mit Lamm, Fisch und anderen isländisches Spezialitäten.

Islandpulli: Wer einen haben will, sollte sich nicht zu fein sein, auch in den Touriläden zu suchen. Wir haben lange gucken müssen und sind letztendlich in einem rammelvollen Souvenirshop fündig geworden. Die Preise sind meist ein bisschen weniger heftig und die meisten Kunden schauen hier eher nach Schlüsselanhängern und sonstigem Ramsch.

Lakritzschokoriegel: Ausprobieren. Gibts überall. ‘Nuff said.

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