Artvergnügen #63 – Was Cristiano Ronaldo und Damien Hirst gemeinsam haben

Fußball ist eine der schönsten Nebensachen der Welt. Boden- und Luftakrobatik, Ball- und Körpergefühl stehen für Ästhetik; dazu kommt die erhöhte Attraktivitätsdichte von 32 mal circa 11 Spielern. Die WM ist zudem ein publizistisches, wirtschaftliches, politisches und unterhalterisches Ökosystem. Sie ist ein Blockbuster um Korruption, Emotion, Patriotismus und Geld. Cliffhanger ist immer der Sieg. Die Guten und die Schlechten stehen fest, damit vier Jahre später die Karten neu gemischt werden. Neue Sieger. Neue Moden. Neue Technologien. Transfers. Taktisches Spiel.

Fußball ist mehr als nur Sport und die WM ein ebenso schmutziger wie spannender Markt – genau wie die Kunst. Michael Ballack, der sich seit Karriereende als Sammler verdingt, erkennt Fußball sogar als Kunstsparte an: „Kunst hat für mich mit Außergewöhnlichkeit zu tun. Es geht also nicht nur um Musik oder Malerei, sondern auch um Sport und Fußball. Fußballer können viel mehr kreativ sein – und man weiß nie, was bei dieser Kunst herauskommen wird.“ Auf die Frage, was die Fifa und die Kunstmesse Art Basel gemeinsam haben, antwortet der französische Ex-Nationalspieler Jonathan Zebina gegenüber der Monopol: „(...) in beiden geht es um Geld und Macht.“ Ist das so? Und wenn ja, welcher Markt ist die bessere Geldanlage? Was haben Ronaldo und Damien Hirst gemeinsam?

1. Money, money, money341692_heroa_getty-images

Fußball

  • Höchste Transfersumme: 57,1 Mio. Dollar für den brasilianischen Spieler Neymar de Silva Santos jr. Obendrein 40 Mio. Kindergeld für die Eltern
  • Höchster Marktwert: Lionel Messi mit 120 Mio. Dollar
  • Wertvollster Verein: FC Barcelona mit 588,10 Mio.Dollar Marktwert
  • Reichster lebender Fußballer: Christiano Ronaldo mit einem geschätzten Vermögen von 201 Mio. Dollar. Minutenlohn: 46,55 Dollar, „egal, ob er schläft, isst oder auf dem Rasen steht.“
  • Zuschauerzahlen: 13,5 Mio.für die Bundesliga. Den Sieg der Deutschen über Portugal verfolgten über die ARD in Deutschland 26,4 Mio.Menschen
  • Highlightevent (bemessen an Budget und Reichweite): WM 2014
  • Investitionen der Fifa: 567 Mio.Dollar, davon 358 Mio. Dollar Preisgelder
  • Geschätzte wirtschaftliche Mehreinnahmen in Brasilien: 24 Mrd. Dollar
  • Geplante Investitionen in Katars Verkehrsinfrastruktur bis zur WM 2022: 140 Mrd. Dollar
  • Hotelzimmer in Rio zur WM (im Durchschnitt): 460 Dollar/Nacht

“Fußball war noch nie so auf alle gesellschaftlichen Schichten verteilt wie heute. Man kann von einer Ersatzreligion sprechen.“ (Dietrich Schulze-Marmeling)

RayBeldnerMoneyBagsCatherineClarkGallery-3
© Ray Beldner

Kunst

  • Höchste Transfersumme: 142,4 Mio. Dollar für das Triptychon "Three Studies of Lucian Freud" von Francis Bacon.
  • Reichster lebender Künstler: Damien Hirst mit einem geschätzten Vermögen von 312 Mio. Dollar
  • Wertvollstes Auktionshaus: Christies mit einem Umsatz von 7,58 Mrd. Dollar in 2013
  • Zuschauerzahlen: 860.000 in drei Monaten auf der documenta.13, 16 Mio. in den Berliner Museen in 2012, 8,5 Mio. im Louvre in 2010
  • Highlightevent (bemessen an Teilnahmegebühr und Transfers): Art Basel
  • Umsatz 2014: 12 Mrd. Dollar
  • Durchschnittliche Kosten zur Teilnahme inkl.Transport und Stand: 81.618 Dollar
  • Zimmer zur Art Basel (“Rooms in Cosy Flat near Art Basel”): 286 Dollar/Nacht (bei Airbnb)
  • Teuerster Verkauf 2014: ein Mobile von Alexander Calder für 12 Mio.Dollar

"Kunst ist mobil, Kunst gefällt. Und bei berühmten Künstlern überzeugt auch die Hoffnung auf finanzielle Stabilität oder sogar Wertsteigerung. Kunst ist eine Geldanlage." (Karl Arnold, Inhaber des Auktionshauses Arnold in Frankfurt)

Zwischenfazit
Die Motivationen sind gegenseitig austauschbar. Auch die Kunst tröpfelt heute in alle Gesellschaftsschichten. Die Rede über Museen als Kathedralen der Kunst und die Sammlergier, der Glaube an die Heilsbringung, rechtfertigen ebenso die Rede von einer Religion. Der Fußballer hingegen ist, wie das Kunstwerk, ein Spekulationsobjekt. Dass ein Götze heute den höchsten Marktwert unter den deutschen Spielern verzeichnet, liegt nicht an seiner heutigen Ballkunst, sondern an seinem zukünftigen Potenzial. Der Junge ist ja grade erst 22. Nicht die alten Meister, sondern die zeitgenössischen Werke verzeichnen hier die höchsten Werte.

2. Teamaufstellung FC Arte

Wem die Summen für Spielerhandel sowie werbliche und architektonische Infrastruktur im System Fußball nicht den Magen verdrehen, kann sich auch ohne größeren Schwindel im Kunstmarkt bewegen. Viele Spieler tun dies bereits.

Der Künstler

David Beckham zog sich vom Sport zurück, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Gattin Victoria bekommt er seither nur wenig zu Gesicht – und griff erst zum Pinsel, neuerdings zur Spraydose. Udo Horsmann, der in den 70er Jahren für den FC Bayern spielte, ist von der Ersatz- an die Tischlerbank gewechselt und handwerkt heute als Möbel-Designer

Das Kunstwerk

Die Ballkunst von Messi.

Die Kunst am Ball in Paul Smith’s aktueller limitierter Strick-Ball-Edition sowie die seines Modells, des Balljongleurs John Farnsworth im Kampagnenfilm.

Douglas Gordons Dokumentarfilm "Zidane: A 21st Century Portrait", eine Hommage an den großen Zügellosen.

Der Sammler

michael_ballack_1-2
© cartoonized.net

Mütterschwarm Michael Ballack und Herthas Angreifer Sami Allagui hoffen auf das Zaubertor im Kunstmarkt. Neben Allaguis Stollenschuhen hängen eine Arbeit von Immendorff, daneben Fotografien von Helmut Newton – und neulich habe er sogar selbst eine Collage aus Schwarzweiß-Fotos gemacht. Das sähe nicht schlecht aus, sagt er. Ballack verdient sich per schamlosem Namedropping meinen Respekt. In seiner Sammlerei zeichnet sich ein regionales Muster ab: Der Chemnitzer pflegt eine enge Beziehung zum Grand Maitre der Leipziger Schule, Neo Rauch, und Maler David Schnell. Außerdem zählt er Georg Baselitz, seinen Nachbar am Ammersee, zu seinem Repertoire. Von Anselm Reyle besitzt er Skultpuren, mit Rosemarie Trockel schlenderte er durch New York.

Der Galerist

Der französische Ex-Nationalspieler Jonathan Zebina führte lange Zeit ein Doppelleben: Morgens bugsierte er den Ball übers Feld, nachmittags, in seiner Galerie, Kunstwerke – bis es zu Meinungsverschiedenheiten mit seinem Co-Galeristen kam.

Die Institution

CR7-Museum-18
Vor wenigen Monaten eröffnete Fußball-Beau Christiano Ronaldo in seiner Geburtsstadt Funchal eine Hall of his Fame, in dem er seine 150 Trophäen ausstellt – mit einem weiteren noch leeren Raum für noch folgende Auszeichnungen. Das alles habe keinerlei selbstzentrierte Motivation, vielmehr hoffe er auf den Bilbao-Effekt – er will durch diese Touristenattraktion seiner, von der Wirtschaftskrise gebeutelten, Heimatinsel Madeira wieder auf die Beine helfen.

Die Muse

Und wieder Sami Allguri. “Wer solche Tore schießt und das noch gegen die Bayern (Anm. der Redaktion: gemeint ist Allguris Hackenschuss gegen den FC Bayern für die Mainzer), der ist ein Künstler. Den muss man einfach malen.“, schwärmt der Düsseldorfer Maler Markus Tollmann.

Der Kritiker

ai_weiwei_portrait_media_gallery_res
© Gao Yuan

Das erste Deutschlandspiel sei kein gutes gewesen, kommentiert Ai Wei Wei gegenüber der dpa. Die Deutschen hätten es zu leicht gehabt. Dennoch habe die Mannschaft gute Chancen, Weltmeister zu werden.

Krake Paul hat ausgedient. Und Kunst und Fußball nehmen gemeinsam auf dem Sofa Platz. Kuschelnd. Sind ja auch (mit) die schönsten Nebensachen der Welt.

-
Titelfoto: © Regina Schmeken
Zurück zur Startseite