Artvergnügen #61 – Auf Spurensuche: David Bowie in Berlin

An einem Tag im März mache ich mich auf den Weg in die Köthener Straße. Draußen ist es kalt und verregnet, aber ich begebe mich trotzdem auf Spurensuche. Dort, wo ich hin will, wartet bereits Peter Radszuhn, der Musikchef von Radio Eins. Er lehnt an einer Säule und hat seinen Hut tief ins Gesicht gezogen und wie er da so steht, habe ich das Bedürfnis ihn nach Feuer zu fragen. Peter ist nicht nur hier, weil er wie jemand aussieht der hier hingehört, sondern weil er mir bei der Spurensuche eines gewissen David Bowie helfen wird.

David Bowie lebte von 1976 bis 1978 in Berlin, in der Hauptstraße 155 in Schöneberg. In den Hansa-Studios in der Köthener Straße nahm er zeitgleich drei seiner künstlerisch radikalsten Alben auf: Low, "Heroes" und Lodger, die sogenannte Berlin-Trilogie. Dass die Presse dieser Stadt eine Retrospektive seines Lebens im Martin-Gropius-Bau einmal feiern wird wie die Rückkehr eines verlorenen Sohnes, kann er damals noch nicht ahnen.

David Bowie Iggy Pop

Als Bowie in das geteilte Berlin der 70er Jahre kommt, will er wieder Boden unter den Füßen finden. Er hat wilde Zeiten hinter sich, nimmt Drogen und kann in den USA nicht mehr unerkannt durch die Straßen gehen. Er ist ein Suchender und spürt, dass er in diese Stadt reisen muss, von der er später sagen wird, dass sie seine Klinik war. Hier wird er zusammen mit Iggy Pop auf dem Fahrrad zwischen Wohnung, Tonstudio und Bars pendeln, Fußmärsche vom Wannsee bis nach Kreuzberg machen, um den Kopf freizukriegen, und hier wird er "Heroes" schreiben, das Lied, das zur Legende werden wird und gerade durch die Boxen der Hansa-Studios fegt und eine gehörige Gänsehaut auf mich legt.

Peter erzählt von einem David Bowie, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich zu einer androgynen Kunstfigur stilisiert hat, von Frauen und Männern gleichermaßen verehrt wird, der den anderen immer einen Schritt voraus ist und in einer Liga mit den Beatles und Rolling Stones spielt. Und das obwohl er immer wie von einem anderen Stern wirkt. Bücher, Theater, Malerei und Musik inspirieren ihn zu immer neuen Ideen. Es gibt nichts, dass sich seiner Reflexion entzieht. Er liebt Bertolt Brecht, Andy Warhol und das Spiel mit der Verkleidung. Seine "Berlin Days" werden die künstlerisch intensivsten dieser Jahre.

David-Bowie-Heroes

Die Atmosphäre, die hier geherrscht haben muss, lässt sich nur noch nachzeichnen. Berlin war eine Flucht für Musiker, Maler, Querdenker und Schriftsteller und mittendrin eine Mauer, deren Präsenz eine allzu greifbare Macht über all dem war. Man war an das Bild von Soldaten gewöhnt, machte sich nichts daraus, Kette zu rauchen oder Iggy Pop und David Bowie am Nachbartisch sitzen zu sehen.

Bowie, der heute mit seiner Frau Iman in New York lebt, schuf hier in Berlin ein Stück Musikgeschichte. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass diese Stadt, die selbst noch immer auf der Suche ist, in diesen Monaten davon mehr zehrt als der Künstler selbst. 2013 veröffentlichte er, typisch Bowie, wie aus dem Nichts die Single "Where are we now", ein Song in dem sich der Kreis zu Berlin schließt. Das Video zeigt Bilder aus Bowies Berlin Days und auch wie damals nimmt Bowie den Song zusammen mit dem Musikproduzent Tony Visconti auf.

Die vom Londoner Victoria & Albert Museum kuratierte Ausstellung im Martin-Gropius-Bau widmet der Ikone nun eine multimediale Retrospektive mit Kostümen, Zeichnungen, Handschriften, seltenen Bildern, Videos und dem Gefühl, dass man für kurze Zeit in den Kopf von David Bowie reisen durfte.

David Bowie im Martin-Gropius-Bau

bis 10. August 2014
Niederkirchnerstraße 7
Täglich 10:00 – 20:00 Uhr
Tickets gibt es hier

 

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Fotocredits:
1. Titelfoto: © www.davidbowie.com
2. © Hulton Archive, Evening Standard, Getty Images
3. © Masayoshi Sukita/The David Bowie Archive

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