5 Menschen, 5 Orte #6 – Plattenläden

Ich habe vor kurzem meinen Plattenspieler repariert. Repariert heißt: Endlich entstaubt, Kabel gekauft, Boxen wieder angeschlossen, Verlängerungskabel ordnungsgemäß verlegt. Repariert eben. Deswegen renne ich gerade wie eine Blöde herum und suche Orte, die nicht der Flomarkt sind (für Flomärkte fehlen mir Geduld und die Sehnsucht nach drängelnden Menschen) und eine gute Auswahl an Schallplatten bereithalten. Empfohlen wurden mir Läden von Kris Benesch, Felix Göllner, Martina Schröder, Christian Ludwig und Anton Teichmann.

1 - Kris Benesch & der OYE Record Store

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"Man kennt das ja: Man traut sich nicht rein, Fragen stellen ist sowieso verboten, Platten anfassen auch. Man hat das Gefühl, dass man am besten seine Kohle am Tresen abliefert und mit 'ner Ladung Vinyl unterm Arm ganz schnell wieder verschwinden soll. Zugegeben, bei Oye ist das auf den ersten Blick nicht viel anders, aber irgendwie dann doch. Denn die Herren und Damen hinter dem Tresen sind eigentlich ganz schön nett und redselig, wenn man sie in einer ruhigen Minute erwischt. Selber oft hinter den Plattentellern dieser Stadt anzutreffen sind diese Musiknerds nicht unbedingt als Unternehmer geboren, dafür aber absolut auf dem aktuellen Stand des Musikgeschehens und mit krachend fundiertem Musikwissen ausgestattet. Der Laden ist voll mit DJs, Touris, Normalos, Raritätenjägern und Zeitverbummlern, manchmal gibt es sogar Instore-Gigs von namhaften Bands und DJs. Der Laden brummte irgendwann so sehr, dass Markus, Tinko und Lovis nach 10jährigem Bestehen beschlossen haben, eine zweite Filiale in Kreuzkölln zu eröffnen. Für meinen Geschmack wird das Rock/Pop-Fach zwar wirklich vernachlässigt, aber es gibt so viele weitere Genres, durch die man sich wühlen und an den Plattenspielern hören kann, dass ich selten ohne Neuentdeckung aus dem Laden gehe. Und was gibt es dann Schöneres als mit neuen Platten nach Hause zu kommen und es sich bei einem Kaffee auf dem Sofa gemütlich zu machen?"

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Den Oye Record Store findet ihr in der Oderberger Straße 4 im Prenzlauer Berg oder in der Friedelstraße 49 in Kreuzkölln. Kris Benesch hatte selbst mal einen Plattenladen, er weiß also recht gut, wie das Geschäft hinterm Tresen so funktioniert. Mittlerweile ist er vom Platten- zum Fußballtisch gewechselt und verleiht mit seiner Firma 5meter Kickertische oder organisiert Tischfußballevents.

2 – Felix Göllner & der HHV Selected Store

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"HHV steht für HipHop Vinyl. Das könnte den einen oder anderen Musikmensch abschrecken. Sollte es aber nicht. Bei HHV findet man so ziemlich jede Musikrichtung, die man sich nur vorstellen kann. Und das vor allem auf Schallplatte. Hinter dem schicken Selected Store in der Revaler Straße verbirgt sich ein ganzer Mailorder. Als BerlinerIn hat man jedoch den Vorteil, die Bestellung vor Ort abholen und durch selektierte Konsumgüter im Laden stöbern zu können. Auch SecondHand Ware ist am Start - nichts wird hier weggeschmissen. Ich bin jede Woche ca. einmal da, um den jüngsten Veröffentlichungen zu frönen und der Schallplatte zu huldigen. Anschließend wird diese gleich mal aufgelegt - meist in der Zebrano Bar, in der ich im Winter jeden Freitag spiele."

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Den HHV Selected Store findet ihr in der Revaler Straße 9 in Berlin Friedrichshain. Felix arbeitet als Promoter meist elektronischer Musik diverser Plattenfirmen im Bereich Print, Online und DJs. Und manchmal legt er auch selbst Platten auf, damit andere Menschen tanzen.

3 – Martina Schröder & das Musik Department

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Als Bernd Leyon im Februar 2010 das Musik Department bei mir um die Ecke eröffnete, dachte ich nur: "Der ist doch bekloppt". Irgendwann war der Plattenladen weg und ich etwas wehmütig, aber nicht wirklich überrascht. Umso mehr freute ich mich, als ich ihn plötzlich in der Kastanienallee 41 wiederentdeckte. Im Musik Department gibt es "Musik für alle", doch die Auswahl ist nichts für Leute, die ihren Musikgeschmack mit "Och, ich hör am liebsten Radio" beschreiben, denn hier finden sich liebevoll ausgesuchte Vinyl-Perlen, Bücher, CDs und Poster, die allesamt nicht nur in eine Genre-Schublade passen und somit auch eine wohltuende Abwechslung zum Bumm-Bumm-Berlin bieten. Als Verfechter von Vinyl-Kultur seit über 20 Jahren legt Leyon Wert darauf, neben Neuheiten vor allem die Wurzeln heutiger Musik zu präsentieren. Second Hand-Jäger reiben sich hier die Hände und Unentschlossenen wird immer gern mit einer passenden Empfehlung geholfen. Auf keinen Fall die alten Berliner Plattenhüllenmotive an der Wand verpassen - einen entsprechenden Bildband "Berlin on Vinyl" hat Coverlover Bernd Leyon gerade erfolgreich gecrowdfunded.

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Das Musik Department findet ihr in der Kastanienallee 41 im Prenzlauer Berg. Martina bringt Micky Maus und Co. beim Egmont Ehapa Verlag aufs mobile Device und ins Internet. Ihre größte Liebe gilt aber der Musik.

4. Christian Ludwig & Leila M.

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"Im Herbst 2006 ist das Leila M. in die Rosa-Luxemburg-Straße gezogen, da war meinerseits nicht mal an die versteckte Liebe zu Vinyl und großen Scheiben in Schwarz zu denken. 30 Jahre sollte es dauern, bis ich mich schließlich bekannte, ein wenig war da auch eben jener Plattenladen schuld, der Rücken an Rücken zum Babylon Kino liegt und eine Ausstrahlung hat, die eigen ist und trotzdem Spaß macht. Mit Ratschlägen und fachlichen Fragen von der Kasse aus wird hier niemand bedrängt, auch die pfiffige Auswahl zwischen aktueller Tanzmusik, Pop und Veröffentlichungen, die keine Angst vor Gitarren oder Besonderheiten haben, zeigt sich sympathisch bodenständig. Und wer die Zeit vor Ort mit dem herrlichen Blick Richtung Volksbühne nicht zu schätzen weiß - auch online besorgen sie dir musikalisch, was das Herz begehrt. Und das selbstgewählte Motto "Music for life before death" bedeutet womöglich vieles, sagt aber ebenso alles. Fragt sich abschließend nur - wer bitte ist diese Leila?"

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Christian Ludwig ist freier Autor mit einer Vorliebe für Sagen und Dramen und dem gesetzten Auftrag "Jedes Jahr ein Buch", der oft redet, viel denkt und noch mehr notiert. Leila M. wohnt in der Rosa-Luxemburg-Straße 30 in Mitte. Die Fotos von ihm und dem Laden hat Julia Fischer gemacht.

5. Anton Teichmann & Bis aufs Messer
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"Statt viel Geld für importierte vegane Tiefkühlpizzen im Supermarkt auszugeben, könnt ihr auch einfach die Marchlewskistraße ein paar Meter weiter runter laufen und euch ökologisch nicht minder bedenkliches aber dafür länger haltendes Vinyl in meinem Lieblingsplattenladen “Bis aufs Messer” kaufen. Ursprünglich eher auf Hardcore spezialisiert wurde das Sortiment inzwischen auf alle Spielarten der Undergroundmusik ausgeweitet. Des weiteren findet ihr dort Merch, Zines, DVDs und auch Kaffee. Wer zu faul ist, zum Laden zu gehen, kann sich alles auch über den Mailorder bestellen und nach Hause schicken lassen. Außer den Kaffee. Die Betreiber des Ladens kümmern sich übrigens auch noch um die beiden sehr empfehlenswerten Labels Adagio830 und Vendetta."

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Wenn Anton Teichmann nicht gerade auf Konzerte geht, arbeitet er unter anderem für das feine Indielabel Morr Music. Den 'Bis aufs Messer' findet ihr in der Marchlewskistraße 107 in Friedrichshain.

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Das letzte Mal haben wir uns vegane Restaurants empfehlen lassen. Alle Orte samt Menschen findet ihr hier.

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