40 DAYS OF EATING #16 – Volt

© Mit Vergnügen

Heute gibt es Bambi auf dem Teller, Stöcke im Po, Anzugträger an jungem Gemüse und neue beste Freundinnen auf etwas Schaumwein. Wohl bekomm's.


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Maria, erzähl uns von deinem Tag.

Arbeiten, arbeiten, arbeiten, arbeiten, arbeiten! Ich habe einen super ausgefüllten Tag und bin wahnsinnig produktiv. Das tut gut, das mag ich so. Ich fühle mich wie eine Protagonistin aus "Der Teufel trägt Prada" und heute Abend geht es auch noch zu einer noblen Adresse am Paul-Linke-Ufer. Sonst lasse ich das Restaurant links liegen und steuere die nächste Imbissbude an, heute darf ich eintreten. Drinnen ist es so leise, dass ich mich kaum traue zu atmen. Als ich ein wenig husten muss, mache ich einen Witz darüber und der oberkrasse Kellner zieht eine Augenbraue nach oben. Ich ducke mich weg.

Wo habt ihr heute gegessen?

Im Volt. Sehr edel.

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Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?

Ich bekomme das Fleisch-Menü. Allein die Vorspeise aufzuballadieren, dauert vier Minuten. Nach zwei Minuten schalte ich innerlich ab und erstelle gedanklich To-Do-Listen für morgen. Als erstes gibt es dann aber einen Gruß aus der Küche. Eine Terrine, die auf einen Teelöffel passt, mit Zeugs drin. Ein kurzer Gruß, der geschmacklich bei Brühe mit Röstzwiebeln liegt, also lecker. Die Vorspeise ist ein Mandala aus diversen Saucen, Schäumen, Klecksen und einem winzigen Stück Zander. Er hat leider die Konsistenz von Gummi - vielleicht soll das ja so sein, jedenfalls wurde er stundenlang bei 58 Grad gekocht, habe ich gehört. Ich habe das Gefühl, dass hier ein wenig in die Molekularküchentrickkiste gegriffen wurde. Was angesichts des Blumenkohlschaums recht schön anzusehen ist, geschmacklich jedoch nicht durchweg überzeugt. Es schmeckt okay, reißt mich jetzt aber nicht vom Hocker. Als Hauptgang gibt es Reh mit Hagebuttensoße. Ich sage ja immer, je niedlicher das Tier, desto besser der Geschmack. Und was soll ich sagen? Theorie bestätigt! Das Fleisch ist so zart und lecker und die Knödel sind Fluffis, außen leicht knusprig und geschmacklich sehr ausgewogen. Lob an die Küche. Das Dessert wurde mit der Pinzette angerichtet und fällt demnach durch. Der Hauptgang bekommt aber 10 Punkte. Auch waren die Weine DURCHWEG exquisit. Jedoch sollte man sich schnell um die Entleerung der jegweilig dargebotenen Weine, passend zum jeweiligen Gang, kümmern. Sonst wird er abgeholt, kaum blinzelste mal eine Sekunde dem Nachbartisch zu.

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Wie ist der Service?

Ben ist der Hammer. Sehr professionell berichtet er uns en détail, welche Art Mini-Schaum sich da gerade auf unseren Riesen-Tellern befindet. Wir versuchen, ihn mit Witz und Schwipps aus der Reserve zu locken, aber er zieht sein Programm knallhart durch und zuckt nur ganz leicht mit den Mundwinkeln. Beeindruckt brüllen ihm hinterher, dass er unser Lieblingskellner ist, was angesichts der Umgebung und der leisen Gespräche am Nachbartisch total unangemessen ist. Ben ist aber Schuld daran, immerhin hat er uns mit Wein abgefüllt. Die anderen Kellner scheinen mit ihm um unsere Gunst zu battlen. Alle wollen uns den jeweiligen Gang vortragen: Dinner-Slam!

Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?

Das Design der Räume ist wirklich absolut toll. Sehr sehenswert, mit verschiedenen Ebenen, d.h. es kann vorkommen, dass Menschen von oben auf dich runtergucken, und einem Mix aus modern und industriell. Das Thema "Volt" wurde wörtlich umgesetzt, Badezimmer und Gallerie erinnern an ein Umspannwerk. Hier lächelt leider niemand außer uns und Ben - nicht so gut, aber wir haben unseren Spaß.

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Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?

Jeder Mensch, der diesen Laden betritt, scheint am Empfang einen riesigen Stock zu verschlucken und sich wahnsinnig unlocker zu machen. Was völlig unnötig ist. Um uns herum tragen die meisten Leute Anzug, und es gibt auch ältere Herren, wieder im Anzug, die junge Damen ausführen. Grusel.

Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?

Mit Leuten, die die Rechnung am Ende des Abends 50/50 teilen möchten (ALLE ALLE BERLINER). Hier lässt man sich einladen, is klar.

Worüber habt ihr gesprochen?

Da ich Lisa nun schon mehrere Tage am Stück gesehen habe und aufgrund meines übervollen Terminkalenders weder Sozial- noch Privatleben habe, beginne ich sie als meine bestebestebestebestebeste Freundin anzusehen. Wir holen demnach fast 30 Jahre Privatleben nach. Es geht nicht anders. Manchmal muss auch ich halt reden.

Was hast du Neues über Sophia gelernt?

Nichts. Sie hat sich heute ausschließlich mit ihrem Telefon unterhalten.

Das Beste an diesem Essen...

Bambi.

Möchtest du noch etwas sagen?

Es ist ja bekannt, dass Geld offensichtlich mit Verstocktheit einhergehen kann. WARUM ist das so?


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Sophia, erzähl uns von deinem Tag.

Ich fühle mich heute nicht sehr glamourös. Seit Stunden hocke ich am Rechner und schreibe. Habe ich mich da gerade selbst gerochen? Is ja ekelhaft! Da das heutige Restaurant seinen Gästen allerdings absolute Perfektion abverlangt, mache ich aus dem Waldschrat eine Elfe. Waldschrat im Elfenkostüm trifft es nach getaner Arbeit allerdings besser. Nur bei den Schuhen muss ich leider passen: Feine Treter in Kombination mit Glatteis ergeben ein künstliches Hüftgelenk und dafür bin ich nun wirklich noch zu jung. Ich entscheide mich also für solide Boots und bereue meine Entscheidung just in dem Moment, als ich das Restaurant betrete. Ein künstliches Hüftgelenk kannste wenigstens verstecken.

Wo habt ihr heute gegessen?

Im Volt in Kreuzberg.

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Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?

Ich bekomme natürlich das vegetarische Menü. Beim Gruß aus der Küche steige ich nicht so richtg durch. Was ist das alles? Ich schmecke Röstzwiebeln und Glibber, was meinen Gaumen jetzt nicht wirklich in helle Aufregung versetzt. Die blaublütigen Röstzwiebeln schmecken eben auch nur wie ihre proletarischen Kollegen aus dem nächsten Imbiss. Kurz herrscht Verwirrung über die richtige Handhabung des Gedeckes. Ich erkläre großkotzig, dass man sich einfach von außen nach innen vorarbeiten muss und benutze im nächsten Atemzug das falsche Messer für die Butter. Ich versuche meinen Irrtum zu vertuschen, was beim Personal zu Stirnrunzeln und Tuscheleien führt - Messer ablecken im Edelrestaurant ist halt leider nicht so schick. Doch der freundliche Kellner Ben führt weiter sein Gedicht auf und umschreibt mit großen Gesten und wichtigen Worten, was alles auf unseren Tellern ist. Man kann es auch ganz einfach sagen: Blumenkohl zermatscht, gestockt, gebraten. Ich mag Blumenkohl und auch dieser Blumenkohl schmeckt - oh Wunder - nach Blumenkohl! Pluspunkt: Zu jedem Gang gibt es den passenden Wein. Ich lerne, dass man seinen Wein rechtzeitig austrinken muss, da das Glas sonst einfach mit seinem Teller-Kumpel verschwindet. Geht ja nicht, dass man zwischen den Gängen den Wein vom vorletzten Gang austrinkt. Anarchie! Wir futtern uns durch diverse Gänge. Vorbei an winzigen Schaumkrönchen, auf winzigen Blättchen, zu winzigen Böhnchen. Am Ende sind wir trotzdem satt. Und besoffen, das allerdings auf höchstem Niveau.

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Wie ist der Service?

Der Service ist, wie sollte man es auch anders erwarten, perfekt. Nachfragen wurden beantwortet, Gegröhle wurde ignoriert. Vielleicht haben wir auch einfach Glück gehabt. Als wir kurzzeitig einen neuen Kellner bekommen, sind wir negativ überrascht. "Ich bringe Ihnen das Dessert, ich stelle es auch vor" blafft es von oben herab. Okay, so fühlt sich also Dreck. Interessant.

Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?

Die Stimmung ist hier eher angespannt und unterkühlt. Zumindest bis zum Hauptgang, denn dann sind auch die Gäste an den anderen Tischen so abgefüllt, dass fröhlich durchs Restaurant geschwatzt wird. Die Einrichtung ist beeindruckend und etwas einschüchternd. Industrial Chic trifft auf klassische Eleganz. Besonders möchte ich hier die wirklich sehr hübschen Toilettenräume erwähnen. Ist das hier vielleicht sogar das schönste Klo Berlins?

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Wie würdest du die Menschen in dem Restaurant beschreiben?

Anzugträger, Geschäftsleute und Firmenreisegruppen. Ein Hauch von Grunewald weht durch Kreuzberg.

Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?

Mit Leuten, die lieber 'ne Currywurst essen, als sich durch vier Gänge zu friemeln.

Worüber habt ihr gesprochen?

Worüber reden wohl drei besoffene Frauen? Na? Na? Richtig, Kernspaltung. Wir reden also wieder über große Gefühle, kleine Enttäuschungen und mittlere Wehwehchen. Wir sind wie immer die Lautesten im Restaurant, was uns aber egal ist. Eine Tatsache, die wir auch gleich lautstark durch das Restaurant gröhlen. Wir bleiben lange und bestellen noch mehr Wein.

Was hast du Neues über Maria gelernt?

Maria weiß nicht, was sie will, und wenn sie es doch weiß, dann ändert sie ganz schnell wieder ihre Meinung, nur um eine Stunde später wieder alles umzuschmeißen. Das Leben ist ein kompliziertes Arschloch.

Das Beste an diesem Essen...

Der Wein.

Möchtest du noch etwas sagen?

Leute, macht euch mal locker!


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Gestern waren die beiden im Melro. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.

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Location: Volt, Paul-Lincke-Ufer 21, 10999 Berlin

Fotos: Elisabeth Rank

Text: Maria und Sophia Giesecke

Anfragen: [email protected]

Titelfoto: Franziska Taffelt

Logo & Artwork: Frau Grau

Produktion: Mit Vergnügen

(Ja, "40 Days of Eating" ist eine Adaption von "40 Days of Dating".)

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