Wir sind hier nicht bei "Wünsch dir was" - das ist Taxifahren in Berlin

© Matze Hielscher

Im Film sieht es immer wahnsinnig lässig aus, wenn die Protagonisten schnell mal ein Taxi rufen. Sie müssen nur den Arm heben, reinspringen und sagen: "Folgen sie diesem Wagen." In der Realität kommt aber für eine Viertelstunde gar kein Taxi. Ich ziehe es dennoch vor, mich an die Straße zu stellen, statt eine sichere Hotline zu wählen – oder noch schlimmer – eine App zu benutzen. Das Handheben unterstreicht die Dekadenz, Taxi zu fahren: Wenn ich mir einen Luxus leiste, dann diesen.

Große Freude, ich darf eine halbe Schicht Taxibeifahrer sein und schauen, wie es auf der anderen Seite aussieht. Herr Kohn holt mich an einem Freitag kurz nach 18:30 Uhr ab. Kurze Plauderei und Faktencheck: Kohn ist 54 Jahre, in Berlin aufgewachsen, Taxifahrer seit 27 Jahren und lebt günstig am Gandarmenmarkt, weil er einen alten Mietvertrag hat. Glücklich verheiratet, 2 Kinder, Wochenendhäuschen im Süden von Berlin, Urlaub immer in Skandinavien. Berufsbezeichnung unter Kollegen: Kraftdroschkenkutscher.

Heute ist der letzte Ferientag. Ich hatte um die Zeit mit Feierabendverkehr gerechnet, aber wir kommen leicht durch und haben, was man eher selten im Taxi hat: eine grüne Welle. Wir haben abgemacht, dass wir nur Gäste aufnehmen, die an der Straße stehen. Also kein Taxifunk. Keine Apps. Wir fahren über die Torstraße, Münzstrasse, Hackescher Markt, Friedrichstraße. Die Sonne ist noch mal rausgekommen, die Menschen tragen Sonnenbrillen, aber niemand winkt uns zu sich. Wir fahren zur Charité. "Hier geht eigentlich immer was". In der Taxibucht stehen 3 Wagen. Wir stellen uns hinten an und warten.

Herr Kohn ist in Plauderstimmung. Weil mich Toyota auf diese Fahrt eingeladen hat, sprechen wir auch über das Auto. Wir sitzen in einem Toyota Prius, einem Hybridauto. Für alle die es nicht wissen, wie das funktioniert:  Ein Hybridfahrzeug hat eine ziemlich clevere Kombination aus Benzin- und Elektromotor. Mit seiner Batterie kann es immer wieder Etappen seiner Fahrstrecke rein elektrisch zurücklegen. Im Stadtverkehr bleibt so der Benzinmotor bei etwa einem Drittel seiner Fahrzeit einfach aus. Das spart Sprit und reduziert schädliche Abgase. Da beim Prius Plug-in Hybrid eine stärkere Batterie eingebaut ist, die zusätzlich noch an jeder Haushaltssteckdose aufgeladen werden kann, fährt er bis zu 25 Kilometer an einem Stück rein elektrisch und danach im sparsamen Hybridbetrieb.

bymatzehielscher-15bymatzehielscher-16

Herr Kohn sagt mit sichtlichem Stolz, dass er der 3. Taxifahrer bundesweit war, der einen Hybriden gefahren hat. Das ist jetzt 12 Jahre her. "Am Anfang hat mir das Design nicht so gefallen. Die Form war mir zu abgehackt, zu unfertig, dass Display viel zu bunt. In der dritten Generation ist es sehr viel ansprechender." Kohn arbeitet beim Berliner Taxibetrieb East Side Taxi, die Hälfte der Flotte sind Hybriden. "Natürlich sind die Autos umweltfreundlicher und das ist gut. Was für uns viel ausschlaggebender ist, ist, dass die Hybriden praktisch nicht kaputt gehen. Wir haben neulich einen verkauft, der 350.000 Kilometer reparaturfrei gefahren ist. Das ist der Grund, warum immer mehr Hybridtaxis in Berlin fahren – die sind extrem robust.“

Wir warten seit 15 Minuten, vor uns steht noch ein Kollege. Ich ziehe schon mal meinen Zettel aus der Tasche. Ich hatte mir überlegt, mit den Fahrgästen Quiztaxi zu spielen. Beantwortet der Fahrgast die Frage richtig, wird die Fahrt günstiger. Herr Kohn lässt sich nicht ablenken: "Das Gute an dem Hybriden ist, dass man die Batterie direkt am Hausstrom aufladen kann. In Berlin ist das natürlich schwieriger, weil man nicht einfach ein Verlängerungskabel aus dem 5. Stock…"

Kawumm. Wir werden aus unserem Fachgespräch gerissen. Der Taxifahrer vor uns ist ausgestiegen und hat beim Türöffnen einen Fahrradfahrer hart erwischt. Der liegt jetzt mit dem Gesicht nach unten auf der Fahrbahn und bewegt sich nicht. "Oh je. Der Fahrgast kommt dann wohl zu uns.", sagt Herr Kohn. Von der Charité kommen die Sanitäter gerannt. "Da hat er Glück gehabt, dass es hier passiert ist." Wir können nicht viel erkennen. Herr Kohn steigt aus und spricht den Fahrgast an. Der setzt sich zu uns in den Wagen. "Einmal in die Kluckstraße bitte." Los geht’s. "Bestimmt ist seine Hüfte gebrochen, so wie das aussah." Mit dem Taxiquiz brauche ich jetzt nicht ankommen.

Ich höre Herrn Kohn zu, der mit dem türkischen Herrn über die Berliner Architektur spricht, ein paar Anekdoten erzählt und sich darüber freut, dass die amerikanischen Fahrgäste immer ganz aus dem Häuschen sind, wenn man am Brandenburger Tor über den ehemaligen Mauerstreifen fährt. Wir liefern den freundlichen Herrn bei einer wartenden Frau ab, fahren Richtung Zoo weiter und halten vor dem Schweizerhof. Auch so ein kleiner Geheimort von Herrn Kohn.

bymatzehielscher-17

Nach 20 Minuten Warten kommt ein Genfer Pärchen, die ins Restaurant Belmondo wollen. Sie sind 4 Tage in Berlin, wissen aber sehr wenig über Stadt. Statt ihnen Quizfragen zu stellen, helfen wir ihnen lieber und empfehlen die Monkeybar und das Glass für den nächsten Tag. In dieser Gegend lebt Herr Kohns Tochter. "Ich hätte nie gedacht, dass eine meiner Töchter irgendwann mal eine Putzfrau hat." Er ist stolz auf seine Kinder, darauf, dass sie selbstständig sind, dass er ihnen Werte mitgeben konnte und besonders darauf, dass er sich mit seiner Frau so gut versteht, obwohl die Kinder nicht mehr im Haus sind.

Während wir wieder Richtung Osten der Stadt fahren, erzählt er davon, wie es vor der Wende war. "Ich konnte meine Familie nur vom Trinkgeld ernähren. Wenn man nachts Kellner nach Hause gebracht hat, dann haben die 30 Mark Trinkgeld gegeben." Kohn ist gelernter Elektroniker, wollte aber nicht in die Partei eintreten, um aufzusteigen – und ist so Taxifahrer geworden. Heute ist das mit dem Geld verdienen wesentlich schwieriger. Wenn man an der Straße steht und immer nur besetzte Taxis vorbeifahren, dann kann man sich das nicht vorstellen, aber "pro Schicht nimmt man im Schnitt 120 Euro ein. Zwei Fahrten pro Stunde, wenn es gut läuft."

Richtig haarig wird das Ganze, wenn der Mindestlohn eingeführt wird. "Viele Taxifahrer verdienen gar nicht mehr als 5 Euro pro Stunde." Die Konkurrenz auf der Straße wird immer größer, das Verhältnis unter den Kollegen immer schwieriger. Dazu drängt ein Unternehmen wie Uber auf den Markt, mit dem quasi jeder der ein fahrtüchtiges Auto hat zum Chauffeur werden kann. "Das Ganze am Rande der Legalität."

bymatzehielscher-19

Wieder Richtung Charité. Aber von da kommen uns schon leuchtende Taxis entgegen. "Das können wir uns sparen." Wir fahren bereits eine Stunde ohne Fahrgast. Ich werde langsam etwas ungeduldig. Kohn ist belustig: "Wir sind hier nicht bei 'Wünsch dir was', das ist Taxifahren." Zurück auf die Torstraße, die Schönhauser Allee hoch.

Mir fällt schon die ganze Zeit auf, dass Herr Kohn einen ziemlich anständigen Musikgeschmack hat. Nun steht auf dem Display, dass New Order "Blue Monday" läuft. "Kennst du die Version von Truth Faith von George Michael?" Herr Kohn sucht den Song und dreht die Anlage auf. Schluss mit Energiesparen. Der Sound in diesem Wagen ist richtig gut. "I used to think that the day would never come, I'd see delight in the shade of the morning sun. My morning sun is the drug that brings me near, to the childhood I lost, replaced by fear.", singt George Michael durch den Vocoder. Eine gute Version, vor allem wenn sie in Clublautstärke aus den Boxen wummst.

Es ist wirklich bedauerlich, dass niemand am Straßenrand steht. Ich glaube, in diesem Moment sind wir das coolste Taxi in ganz Berlin. Wie gern würde ich mal in ein Taxi steigen, in dem laut New Order läuft und der Fahrer mitsingt. Wir fahren nach Kreuzberg zum Schlesischen Tor, dort ist wie immer die Hölle los, aber niemand steht am Straßenrand. Wir verabschieden uns. Herr Kohn fährt jetzt auch nach Hause zu seiner Frau. Als ich ein paar Stunden später ein Taxi brauche, ist natürlich alles besetzt. Wir sind hier nicht bei "Wünsch dir was".

bymatzehielscher-20

-
Der Beitrag entstand in Kooperation mit Toyota und Eastside Taxi.

Zurück zur Startseite