In Berlin arbeiten Menschen sogar am Montag.

© Matze Hielscher

Montagmorgen, 07:30 Uhr. Ich laufe die Wriezener Straße hinunter zum großen Berghain. Vor dem riesigen Gebäude stehen einsam zwei Taxis, die Türsteher sehen mehr als gelangweilt aus. Scheint nix mehr los zu sein. Ich laufe weiter zum Kater Blau. Auch da stehen ein paar wenige Räder. Musik höre ich gar nicht. Was ist los ist Berlin? Es ist doch Montag.

Ich jogge über die Warschauer Brücke zurück nach Hause und begegne keinen Menschen in Tigerkostümen. Nicht einmal durchgerockte Spanier ohne Kostüme. Im Büro sitzen meine fleißigen Kollegen und tippen das Internet voll. Ich zähle die Mails, die zwischen 09:30 Uhr und 11:00 Uhr ins Postfach wedeln. Es sind 87. Ich wundere mich: Gerade habe ich doch diesen Artikel über Berlin auf der Seite der Deutschen Welle gelesen:

"Mondays are a day to sleep out your hangover in most cities – or go to work, of course. Not so in Berlin, where you can go out any day and any time of the week." Die Autorin Anne-Sophie Brändlin hat ihr Herz an Berlin verloren. Sie ist hin und weg: "That's because leisure time in Berlin is holy. In many other capitals, 'all work and no play' is the guiding principle. But Berlin operates the other way around. Sometimes it seems like no one ever works. But even if they do, they still find plenty of time for their private lives before and after work."

Die Menschen, die hier leben, können sich das Berlin, das Brändlin im Artikel beschreibt, gar nicht leisten.

Scheinbar lebt Brändlin in einem anderen Berlin. Einiges davon kenne ich zwar, aber dass hier alles easy-going ist, man hier ja nicht arbeiten müsse und darum auch gar nicht arbeitet, kann ich in meinem Teil der Stadt nicht beobachten. Oder besser: Nicht mehr beobachten.

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Der Kater am Montag

In den letzten Jahren sind die Mieten bis zu 30% gestiegen, die Löhne sind es aber nicht. Die Menschen, die hier leben, können sich die Stadt, die Brändlin im Artikel beschreibt, gar nicht mehr so einfach leisten. "Parks are packed with people hanging out; so are the canal banks, beach bars and any of the many green patches around town. If you come as a workaholic, Berlin will teach you to let loose and enjoy life."

Und damit dies für Besucher wie Brändlin möglich ist – also loslassen und entspannen – arbeiten wir Berliner. Die Meisten sogar am Montag.

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