Dienstag, 18.02. "The Collector" – Im Buchladen

Lange habe ich überlegt, ob ich dieses Buch guten Gewissens empfehlen kann oder nicht. Eine Freundin, die sonst nie liest, hat es mir geschenkt, da es so ziemlich das einzige Buch ist, das ihr positiv in Erinnerung geblieben ist. Für mich war das also schon mal ein großer Anreiz. Mit der Freude ist es anhand der düsteren Thematik allerdings schnell vorbei.

John Fowles Werk von 1963 erzählt die Geschichte des Einsiedlerkrebses Frederick, der sozial zurückgezogen und beschränkt emotionsfähig im England der 60er Jahre lebt. Einzig und allein dem Sammeln von außergewöhnlichen Schmetterlingen und seiner schönen Nachbarin Miranda, die er heimlich beobachtet, ist er auf abstruse Weise hingebungsvoll verfallen. Aus einer verträumten Fantasie wird bitterer Ernst, als Frederick beschließt, auch Miranda zu einem seiner Sammlerstücke zu machen und sie in ein entlegenes Landhaus entführt. Hier verwandelt er den dunklen Keller in akribischer Kleinstarbeit in einen goldenen Käfig für seinen "Gast" und versucht sie durch Geschenke von sich zu überzeugen, denn für Frederick zählt nichts mehr, als dass Miranda endlich sein wahres Ich erkennen und sich in ihn verlieben würde. Der Spielort der Handlung ist meist der selbe (der Keller), die Bewegungen der Geschehnisse liegen hauptsächlich in den Gedanken der zwei Protagonisten. Im ersten Teil berichtet Frederick auf seine einfältige und uneinsichtige Weise von der Entführung und dem Leben mit seiner großen Liebe. Der zweite Teil besteht aus den Tagebüchern der entführten Kunststudentin, die ihre Tage vor allem mit Erinnerungen und Selbstreflexion verbringt, was aufzeigt, wie sie sich über den Zeitraum der Gefangenschaft verändert und versucht an der Situation zu wachsen. Doch wie viel Wachstum ist möglich umgeben von den ewig selben Mauern?

Die Thematik ist beklemmend, gerade wenn man sich an ähnliche Fälle erinnert, die in den letzten Jahren an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Immer wieder habe ich mich erwischt, wie ich innehielt und mich fragte: Wie vielen Menschen mag es in genau diesem Augenblick genau so gehen? Wie würde ich in so einer Situation handeln?

Das Opfer selbst ist unentschlossen, empfindet oft Mitleid gegenüber dem Täter und schwankt zwischen der Einhaltung der eigenen Prinzipien (Pazifismus) und Methoden wie tagelangem Fasten, Schweigen, Gewalt, List und Fluchtplänen und ist letztendlich bereit, dem Täter das zu geben, wovon sie glaubt, dass er es die ganze Zeit wollte.

Eine Geschichte von zwei Menschen aus verschiedenen Schichten einer kranken Gesellschaft, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sich gegenseitig nicht verstehen und am anderen zu scheitern drohen. Nicht unbedingt leichte Kost. Was mich letztendlich aber doch zum Weiterempfehlen ermutigt, ist, dass das Buch zum Nachdenken anregt. Man setzt sich mit Gedanken auseinander, die einem sonst nie kommen würden. Geht Gedankengänge, die man sonst nie gehen würde, die sich vom Alltag abheben. Und das nicht nur für zwei Minuten, während denen man irgendeine auf Facebook gepostete Schlagzeile überfliegt, "interessant!" denkt, 'Gefällt mir' klickt, weiter scrollt und sie eigentlich sofort vergisst - sondern über die Dauer des Lesens hinweg. Tage, in denen ein Gedanke und ein Thema wirklich Platz haben und in denen man vielleicht sein persönliches Fazit dazu findet.

Auf Deutsch unter dem Titel "Der Sammler" für 8,95€ zu erhalten, auf Englisch von Vintage Classics für 10,30€. Die oscarnominierte Verfilmung von 1965 findet man unter dem Titel "Der Fänger".

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