Mein Zuhause, eine Festung.

© Lisa Rank

Wenn sich die Eigentümer von leer stehenden Immobilien vor Einbrechern, Hausbesetzern und randalierenden Jugendlichen schützen wollen, eilt die Firma Camelot zur Hilfe. Das aus Holland stammende Unternehmen vermittelt Hauswächter an Immobilienbesitzer, um Unheil vom Grundstück fernzuhalten. Die Hauswächter ziehen in verlassene Schlösser, ehemalige Krankenhäuser und alte Gründerzeitvillen. Ihre Präsenz soll den Anschein erwecken, das gesamte Gebäude sei bewohnt. Eine goldene Triangelsituation, meint Dirk Rahn, Niederlassungsleiter von Camelot Norddeutschland: von dem Konzept profitiere der Besitzer, die Wächter – und natürlich Camelot.

Herr Rahn, Ihre Firma trägt den Namen Camelot – was hat Ihr Unternehmen mit der sagenumwobenen Burg von König Artus zu tun?

Dirk Rahn: Die Burg Camelot war eine sichere und gut geschützte Festung, die viele versucht haben einzunehmen – ohne Erfolg. Bei uns werden die Hauswächter eingesetzt, um das Haus oder die Liegenschaft so gut zu sichern, wie die Festung Camelot. In England arbeiten wir auch unter dem Claim: Your Castle, our Care!

Gegen wen verteidigen die Hauswächter denn diese Immobilienfestung?

Durch die Hauswächter bleibt die Immobilie grundsätzlich gut und länger erhalten, weil Vandalismus und Besetzungen verhindert und technische Defekte schneller erkannt werden. Aber auch diejenigen, die bezahlbaren Wohnraum in der Stadt oder Stadtnähe suchen, profitieren von unserem Zwischennutzungskonzept.

Sie sind in sechs europäischen Ländern aktiv. Wie groß ist in Deutschland derzeit die Nachfrage nach einem Posten als Hauswächter?

Sehr groß – allein in Berlin haben wir über 1900 Anmeldungen gegenüber einer deutlich kleineren Zahl an Liegenschaften, die wir betreuen. Die Liegenschaften verteilen sich in Norddeutschland derzeit vor allem auf den Speckgürtel Hamburgs und Berlin. Darunter sind ehemalige Schulen, Krankenhäuser, Pflegestationen und eben auch normale Wohnhäuser.

Hamburg und Berlin: Ist die Lust aufs Hauswächterdasein gerade in den Großstädten zu spüren, deren Bewohner/innen mit steigenden Mieten zu kämpfen haben?

Durchaus, auf dem Land läuft es eher andersherum. So haben wir in der niedersächsischen Gemeinde Winsen an der Aller länger nach Hauswächtern für zwei Einfamilienhäuser gesucht – und schließlich zwei gefunden. Platz hätten wir in den beiden Häusern aber für sechs Personen gehabt.

Wer will denn in einer leer stehenden Schule oder einer ehemaligen Pflegestation wohnen?

Tatsächlich gibt es ein starkes Interesse aus allen Richtungen der Gesellschaft: Berufstätige und Rentner, Studenten, Schüler und Auszubildende, die wenig Geld haben, sogar Personen im mittleren und gehobenen Management wollen in den Gebäuden wohnen. Häufig melden sich auch Techniker und Freiberufler, die nur für einen begrenzten Zeitraum an einem Ort leben. Auch kommen hin und wieder Ehepartner zu uns, die sich im Scheidungsprozess befinden und versuchen, dank einer günstigen Unterkunft erstmal ihre Finanzen in den Griff zu kriegen.

Es geht den Hauswächtern also in erster Linie ums Geld?

Nicht nur: auch die ungewöhnliche Art des Wohnens ist für viele reizvoll. Wer kann schon behaupten, dass er ein Haus mit einem Verkehrswert von einer Million für sich alleine hat? Oder dass er in einer Kommune lebt, einer Riesen-WG, aber dennoch über unglaublich viel Platz verfügt?

Die Kombination aus allem macht sicherlich das Wohnen in den Gebäuden für viele so interessant – und natürlich der Preis. Die Hauswächter zahlen für ihr Zuhause monatlich 180 Euro im Rahmen eines zwischen Ihnen, dem Besitzer und dem Wächter erstellten Verbrauchsüberlassungsvertrags. Eigentlich arbeiten diese Menschen doch als Semi-Hausmeister 24 Stunden am Stück: für die Hausbesitzer, aber auch für Ihr Unternehmen. Sollten die Hauswächter daher nicht Geld erhalten anstatt zu zahlen?

Nein, uns entstehen als Verwalter der Liegenschaft ja auch Kosten. Die Hauswächter kriegen ein umfangreiches Briefing, wir übernehmen die Administration rund um das Gebäude und sehen zu, dass auch in größeren Liegenschaften, wo mehrere Menschen leben, die Hausordnung eingehalten wird. Wenn Camelot in dem Berliner Krankenhaus Lindenhof 55 Hauswächter einsetzt, dann müssen wir da auch für geordnete Verhältnisse sorgen.

In dem Krankenhaus wohnen über 50 Menschen. In der Reinickendorfer Schule leben derzeit nur zwei Hauswächter auf den 22.000 Quadratmetern Nutzfläche könnten doch noch viel mehr Menschen wohnen – warum dürfen sie nicht?

Wir hatten in dieser Schule auch ursprünglich 22 Hauswächter.

Weshalb leben dann 20 davon nicht mehr dort?

Das ist ganz einfach: Diese Hauswächter haben sehr gut auf ihre Liegenschaft aufgepasst. Sie blieb in einem guten Zustand und wurde vom Eigentümer schnell weitervermittelt – an einen privaten Kindergarten. Erst wurde ein Gebäude des Schulkomplexes, dann mehrere Gebäude vom Kindergarten übernommen.

Und den 20 Hauswächtern wurde zur Belohnung ihrer guten Arbeit gekündigt?

Nein, sie wurden in ein anderes Gebäude übersetzt.

Camelot unterstützt – zumindest indirekt – die Immobilienspekulation: Immobilienbesitzer können sich dank der Hauswächter zurücklehnen und abwarten, bis der Wert der Immobilie steigt und sich ein Verkauf lohnt.

Das glaube ich nicht. Einem Immobilienbesitzer ist immer daran gelegen, seine Immobilie zu vermarkten. Wenn er strategische Gesichtspunkte sieht, dann sieht er diese sicherlich nicht in der Immobilie selbst, sondern nur im Grundstück. Spekulanten ist die Immobilie oft egal, die interessieren sich nur fürs Grundstück. Mit den Hauswächtern geht es aber gerade um den Erhalt der Immobilie.

Wieso wollen die Eigentümer dann so etwas wie eine Schule oder ein Krankenhaus erhalten?

Sie brauchen Zeit, um einen Verwendungszweck für das Gebäude zu finden: eine Vermietung, eine Revitalisierung, eine Modernisierung oder eben auch mal einen Verkauf.

Offenbar fehlt es Camelot ja hierzulande noch an passenden Liegenschaften für die Menschen, die wie die 1900 Bewerber/innen in Berlin ebenfalls Hauswächter sein wollen. Warum?

Viele Besitzer haben zunächst Bedenken: Oh nein, fremde Menschen in meinem Haus, womöglich sind das Mietnomaden. Diese Vorurteile wollen wir mit Infoveranstaltungen für die Eigentümer aus dem Weg räumen. Manche bezweifeln auch, dass man aus einem Bürogebäude überhaupt ein Wohnhaus machen kann. Dabei gibt es in Gewerbeimmobilien immer Toiletten und Teeküchen, die wir entsprechend ausbauen können. Eine Toilettenkabine können wir problemlos zur Dusche mit Warmwasserspeicher umbauen lassen, das ist eine Sache von 20 Minuten.

Sie haben eine klare Hausordnung, an die sich die Hauswächter zu halten haben, und eine Kündigungsfrist von vier Wochen – beruhigt das nicht die Besitzer?

Die Kündigungsfrist ist eher Nebensache. Die Besitzer interessiert: Was sind das für Menschen, die dort in mein Haus einziehen? Kann ich ihnen vertrauen, dass sie mit meinem Eigentum auch kein Schindluder treiben? Drücken sie vielleicht den Wert der Immobilie, weil sie nicht dort wohnen, sondern hausen? Genau das wollen wir verhindern.

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Das Interview führte Benedikt Crone, der als Redakteur bei Stadtaspekte arbeitet und auch schon über einen der Hauswächter geschrieben hat.

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