MEIN ERSTER URLAUB OHNE DOSENRAVIOLI #3 - Mit Luc und Elisabeth Rank in Südfrankreich

© Lisa Rank

An Laternen hängen manchmal diese Urlaubszettel, fahren Sie nach La Palma, fahren Sie hierhin, fahren Sie dorthin, haben Sie einen Teddy gefunden, machen Sie Yoga, haben Sie eine Wohnung, möchten Sie eine Wohnung, fahren Sie einmal im Kreis. Luc und ich trotten an einem dieser Zettel vorbei, müde nach einem der ersten sonnigen Tage im März, Luc ist Franzose und nicht nur müde von der Sonne. Wir reißen einen dieser Telefonnummern-Schnubsis von dem Zettel ab, eine Woche La Palma, Finca, heititei. Am Ende fahren wir spontan für vier Tage nach Nizza. Ohne Rucksack, ohne Plan, dafür mit fünf Sternen und einem Cabriolet. Französischer Leichtsinn und meine wehenden Haare.

Es ist ein schmaler Grad zwischen der Herausforderung, das Cabriodach ordnungsgemäß ausfahren zu lassen (“Es geht nicht auf.” - “Warum geht es nicht auf?” - “Weil Koffer im Auto sind. “Wieso passen keine Koffer ins Auto?” - “Das ist kein Auto für Koffer.” - “Wofür denn dann?” - “Das ist ein Auto für Handtäschchen.”) und dem Grinsen, das sich einem übers Gesicht brät, wenn man erst über einen roten Teppich und dann via Rolltreppe zum Empfang des Hotels geleitet wird. Es gibt auch einen Mann, der die Koffer mit einem Wagen irgendwohin und danach ins Zimmer bringt, es gibt Menschen, die sich verbeugen und Dudelmusik im Fahrstuhl. Niemand redet im Fahrstuhl und wenn, dann nur im Flüsterton, alles beäugt sich. Wir frühstücken mit einem Blick aufs Meer und versuchen uns, das seltsame Gefühl zwischen Skepsis vor Dekadenz und Erleichterung, weil wir keine Heringe in verlehmten Boden schlagen müssen, nicht anmerken zu lassen. Wir stellen uns an die falschen Enden der Schlange am Buffet, wir fragen nach Sojamilch, uns bleibt das Herz beinahe stehen, als der Mond in der Nacht plötzlich orange wie ein Obi-Schild über dem Bett hängt. Und über dem Meer. Und dem Leuchtturm.

Luc fährt uns nach Monaco, man sieht uns vielleicht an, dass wir das zum ersten Mal tun, aber ich schlinge ein Tuch um den Kopf und das Glitzern des Meeres macht, dass wir die Augen zusammen kneifen müssen, bis wir die Sonnenbrillen im Handschuhfach finden. Wir gucken das Casino an, aber wir gehen nicht hinein, wir starren auf das goldene Schiff und den Helikopter daneben, wir suchen Formel 1 Videos heraus und vergleichen mit dem Ist-Stand, wir lassen die Famiien in der Schlange vor, deren Mitglieder ausnahmslos ihre Polohemdkragen hochstellen, wir reden mit niemandem und senken den Blick, als zwei Tramper am Straßenrand stehen mit ihrem Ballast, an dem Turnschuhe baumeln, es gibt keine Rückbank, wir würden ja, aber wir können nicht.

Vor zehn Jahren war ich schon einmal hier, Interrail, wir trampten nicht, wir fuhren Zug, zu acht. Dass es Menschen wie Luc überhaupt gibt, wusste ich aus Teenieserien, deren Bezug zur Realität für mich nur in der Phantasie der Autoren bestand, ich weinte nicht bei diesen Serien, ich sah dem Drama fasziniert zu. Damals schliefen wir am Strand und ließen uns von Sandwürmern beißen, sodass wir morgens gegenseitig unsere Schwellungen im Gesicht befühlten, keine Prügelei, nur die erste große Reise. Die Straßenhunde bellten nicht, sondern umkreisten uns mit etwas Distanz stundenlang, als wir im Schatten der Bushaltestelle auf den einzigen Bus an diesem Tag warteten. Wir kamen auch nicht zu acht zurück, in Südfrankreich waren wir eigentlich nur noch zu dritt. Ich muss lachen, als Luc seine Hand auf mein Bein legt, weil genau in diesem Moment die Sonne ein Stück hinter den Berg rutscht und ich mein Tuch in Monaco vergessen habe.

Wir kaufen Gemüse in kleinen Plastikschalen und lassen uns vom Pagen einen Flaschenöffner für den Wein bringen, Luc und der Page kichern auf sehr männliche Art und Weise, vielleicht reden sie darüber, dass wir nur Bademäntel tragen und den Room Service lediglich für Hilfs- und nicht für Genussmittel verwenden, noch mehr Dekadenz würden wir nicht verkraften, jedenfalls jetzt noch nicht. Ich starre auf die Kreuzung und das gegenüberliegende Hotel und das Meer, das nachts so schwarz ist wie der Hafen in der nächsten Bucht. Wir küssen uns nicht auf den Hauptstraßen, das wäre zu viel des Guten.

Wenn man die Texte von Elisabeth Rank liest, dann hat man immer das Gefühl, dass sie an einem schönen Holztisch, in einem kleinen Zimmer, handgeschrieben wurden. So bedacht und fließend, so verträumt und unschuldig. Im nächsten Frühjahr erscheint ihr neues Buch im Berlin Verlag, den Titel darf sie noch nicht verraten.

Zurück zur Startseite